Netzkultur - quo vadis?

Letztens habe ich ein Interview zum Thema Internetkultur gegeben und versuche nun, nach einigen Tagen, mich wieder an die Fragen zu erinnern und sie zusammen mit den Antworten auch hier festzuhalten.

Was ist Internetkultur? Gibt es Beispiele dafür?

Prinzipiell würde ich sagen, das Internet- oder Netzkultur eine Kultur ist, die durch den Zugang zum Web geprägt wurde. Durch die Tatsache, dass wir „always on(line)“ sind, verändern sich Handlungs- und Denkmuster. Wir sind etwa gewohnt, dass wir permanent mit Jedem/r kommunizieren können, in Echtzeit und ohne Unterbrechungen. Auch der Online-Handel, also e-Commerce, hat unser Denken und Tun verändert: Ein Klick, bloß nicht das Haus verlassen und am nächsten Tag Kleidung, Tierfutter oder den Wocheneinkauf direkt an der Wohnungs- und Haustüre in Empfang nehmen. Unser Kommunikation ist nicht nur schneller, sondern auch gefühlt unverbindlicher geworden: Machte man sich vor 25 Jahren Termine telefonisch oder persönlich aus, werden heute im Schnitt 20 Whatsapp-Nachrichten für ein Treffen verschickt. Abgesagt kann ebenfalls jederzeit werden.

Treffen nicht Online- und Offline-Kultur aufeinander?

Doch, ich würde sogar so weit gehen und sagen, wir erleben einen „Clash of Generations“ – angelehnt an Francis Fukujamas „Clash of Civilizations“. Die Generation, die mit dem Internet großgeworden ist, also die Digital Natives, sind eben immer wie natürlich gegeben immer verfügbar, erreichbar, ansprechbar, während Digital Migrants da erst hineinwachsen müssen – sofern sie es wollen. Um ein ganz plakatives Beispiel zu nehmen: Online-Banking. Ich selbst bin als Gerade-schon-Digital-Native froh, meine Bankberaterin per Mail oder Personal Message über die Banking App zu kontaktieren, Geldtransfers via App zu machen. Das spart den Banken Personal und damit Geld, Bankfilialnetze werden ausgedünnt und wenn man tatsächlich mal einen Banktermin braucht, muss man nicht selten in einen anderen Bezirk fahren, um die nächste Filiale zu finden. Gerade unter solchen Dingen leiden Menschen, die noch nicht so digitalisiert sind.

Auch Sprache ändert sich und trifft aufeinander. Ganz banale Beispiele aus meiner „Nokia 3210-Zeit“ sind LOL, HDL, ROFL, GG, usw. Plötzlich findet sich in jeder dritten Geschäftsmail nicht nur ein „LG“, sondern ein Smiley oder gar Emoji. Wir kommunizieren so oft mit Emojis, oder seit neuestem mit MeMojis, dass wir uns gerade (wieder) scheinbar einer Piktogramm-artigen Hieroglyphensprache nähern.

Wer sind die großen Player?

Aus meiner Sicht, die Big Four, die auch Scott Galloway in seinem Buch „The Four“ nennt: Google, Amazon, Facebook und Apple. Sie haben die Internetkultur zu dem gemacht, was sie heute ist. Dank Google haben wir Zugriff auf unendlich viele Informationen. Mit Amazon kaufe ich Produkte aus aller Welt und habe sie am nächsten Tag zu Hause. Facebook verbindet mich global mit Menschen, bietet ein Forum für Austausch. Apple hat unser Verständnis von einem Laptop, Smartphone etc. geprägt. Und ja: Alle 4 sind die größten Werbeplattformen der westlichen Welt.

Wenn wir Zugang zu jeder Information haben, wie müssen wir damit umgehen? Stichwort: Fake News!

Ich bin kein Trump Fan, aber der Begriff der Fake News ist ein essentieller. Jeder Mensch kann heutzutage wie ein Verleger kommunizieren, also publizieren. Wir sind also umgeben von subjektivem Wissen und Meinungen. Umso wichtiger ist mMn die Quelle und deren Bewertung: Wer hat‘s geschrieben? Wer hat‘s veröffentlicht und wer geteilt? Die Gefahr, dass wir Falschinformationen auf den Leim gehen und von den Publizierenden so manipuliert werden, ist riesig. Kein Wunder, dass Wikipedia-Einträge schon vor Jahren an der Uni nicht zitierfähig waren.

Famous last words?

Ich glaube, wir haben die Spitze der Internetkultur noch nicht erreicht. Also die Blütezeit. Dafür stecken zahlreiche Dinge wie etwa künstliche Intelligenz noch zu sehr am Anfang. Ich halte Digitalisierung und die damit einhergehende Kultur nicht für einen Trend. Kultur ist nichts statisches und verändert sich dauernd. Da steht uns noch einiges bevor!